Kapitel 4

Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit (1914-1933)

Tribünenbau des Stadions für die Technische Hochschule Karlsruhe, Entwurf: Hermann Alker, Bau ab 1927, fertiggestellt 1931. KIT, Campus Süd, Engesserstraße 20, Ansicht von Nordosten, Aufnahme: 2025. Fotografie: Amadeus Bramsiepe und Jonas Zilius.

Hochschulsport bezeichnet heute die am KIT für Studierende und Beschäftigte bestehenden Angebote zum Breiten- und Wettkampfsport unter dem Dach des Instituts für Sport und Sportwissenschaft. Die wissenschaftliche Rolle dieses Instituts in Forschung und Lehre hat eine lange Vorgeschichte. Bereits 1833 gründete sich ein Turnverein von Studierenden der Polytechnischen Schule Karlsruhe. Vor dem Ersten Weltkrieg begann der bergsportbegeisterte Geologieprofessor Wilhelm Paulcke (1873–1949), sich an der Technischen Hochschule für Leibesübungen einzusetzen. Richtigen Erfolg hatten seine Bemühungen erst nach dem Ersten Weltkrieg. Mit dem Verbot der Wehrpflicht durch den Versailler Vertrag und einer breiten Ablehnung der Friedensbedingungen in der Bevölkerung bestanden nun günstige Rahmenbedingungen. Auch von den Studierenden gingen in dieser Zeit Forderungen nach einer Pflicht zu körperlichen Übungen im Hochschulstudium aus. Die wirksamste Motivation war dabei der Ersatz bisher im Militär geleisteter Ausbildung. An den deutschen Hochschulen wurden Angebote für sportliche Übungen die Regel. Dabei gab es mit Schießtraining auch spezifisch militärische Elemente. An der Technischen Hochschule Karlsruhe entstanden bis 1931 großzügige Sportanlagen, von denen sich die Stadiontribüne an der Engesserstraße bis heute erhalten hat. Mit seinem freitragenden Betondach war dieser von dem Karlsruher Architekturprofessor Hermann Alker (1885– 1967) entworfene Teil der Sportanlagen ein spektakulärer Neubau. Die rund 1.000 Sitzplätze der Tribüne fassten einen Großteil der damals in Karlsruhe Studierenden. Filmaufnahmen der jährlich abgehaltenen Sportfeste belegen rege aktive und passive Teilnahme. In den ersten Reihen der Tribüne saßen auch die Professoren. Die Sieger der Wettkämpfe erhielten ihre Preise mit Handschlag vom Rektor. kn

Bilder

Fachkommentar

Zur Konzeption des Karlsruher Hochschulstadions

Das Hochschulstadion zeugt aus sportwissenschaftlicher Sicht von innovativen Ideen seines Spiritus Rector Wilhelm Paulcke, Vertreter der Professoren im deutschen Akademischen Ausschuss für Leibesübungen sowie Gründer verschiedener nationaler Skiverbände. Seit 1914 hatte Paulcke an der Technischen Hochschule Karlsruhe gegen Widerstände aus dem eigenen Kollegium für die »Minimalforderung Stellung eines Übungsplatzes und eines Sportlehrers« gekämpft. Seiner Meinung nach hatten die Senatskollegen anfangs »wenig Sinn« für sein Anliegen. Paulcke besorgte der aus seiner Sicht alarmierende Gesundheitszustand der Studenten, ebenso ging es ihm um die Förderung der psycho-sozialen Entwicklung durch körperliche Aktivität. Als der Geologe Paulcke im akademischen Jahr 1919/20 Rektor der Technischen Hochschule wurde, hatte sich seine Verhandlungsposition entscheidend geändert. Der verlorene Krieg und die Abschaffung der Wehrpflicht aufgrund des Versailler Vertrags bewirkten einen breiten Konsens für den Hochschulsport, dem nun eine wichtige Rolle als Wehrpflichtersatz zukam. Das Karlsruher Stadion wurde nach neuesten Erkenntnissen gebaut: Im Innern der Tribüne befanden sich neben einem bis heute genutzten großen Turn- und Gymnastiksaal passende Räumlichkeiten für die seinerzeit geplanten Institute für Gesundheitslehre und Leibeserziehung. Verwaltungs- und Lehrräume, großzügig ausgestattete Waschräume, ein Entspannungsbecken sowie ein Raum für sportärztliche Behandlungen waren vorgesehen. Auch die in das Grün des Fasanengartens eingebetteten Außenanlagen wiesen eine gute Ausstattung auf, weshalb sich ein Teil der deutschen Olympiamannschaft 1936 hier auf die kommenden Spiele vorbereitete. Diese Raumkonzeption entsprach dem Gesundheitsverständnis Paulckes, das sich vor allem auf körperliche Aktivität, Naturverbundenheit und Pflege der Hygiene stützte. Das Stadion lieferte den Karlsruher Studierenden, die sich auch ihrerseits schon Jahre vor diesem Bau für die Etablierung des Hochschulsports eingesetzt hatten, sowie anderen Interessengruppen einen geeigneten Ort für die Leibesbetätigung. Schon bald stellte sich hier ein reger sportlicher Betrieb ein. In Verbindung mit dem mittlerweile obligatorischen Hochschulsport, verantwortet durch den ersten Turn- und Sportlehrer in Baden August Twele (1896–1985), stand für Studierende aller Fachrichtungen auch das Leistungsbuch: In diesem wurden ihnen ihre sportlichen Semesterleistungen attestiert. Es konnte auch später beim Berufseinstieg herangezogen werden, um körperliche Fitness zu belegen. Medizinische Daten — Körpergröße, Gewicht und beispielsweise Alkoholkonsum — wurden ab 1924 systematisch zu jedem Studierenden in eigens geführten Überwachungsbögen erhoben. Einmal jährlich — seit Mitte der 1920er Jahre — war das Stadion Zentrum des Hochschullebens. Am lehrfreien dies academicus (Universitätssporttag) stellten Studierende und Dozenten ihre Physis vor akademischem Publikum unter Beweis. Studentinnen tanzten Reigen, Leistungsmessung war den Männern vorbehalten. Der Rektor leitete stolz die Medaillenzeremonie, die Studenten erschienen nach dem Wettkampf im Anzug bzw. in Korporationskleidung, um zu zeigen, wie sehr sie die Ehre schätzten, durch den Rektor ausgezeichnet zu werden. »Das Hochschulsportfest mit seinen Massenübungen wurde zum Familienfest der Hochschule, bei dem unter den Augen und reger Anteilnahme der gesamten Dozenten- und Beamtenschaft die sportlichen Wettkämpfe ausgetragen wurden. Hier galt nur die Leistung des Tüchtigsten […], hier stand eine Einheit von Lehrenden und Lernenden kameradschaftlich miteinander verbunden.« In den 1930ern hatten sich die sportlichen Übungen im Hochschulsport entscheidend gewandelt: Viele Universitäten gründeten akademische Fliegergruppen. Granatenwerfen, Kleinkaliberschießen, Gelände- oder Gepäckmärsche ergänzten nun die Standarddisziplinen. Swantje Scharenberg

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