Kapitel 8

Die Universität Karlsruhe (1967–2009)

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Eigenstartfähiges Segelflugzeug

1971 startete das Segelflugzeug AK-1 der Akademischen Fliegergruppe (Akaflieg) an der Universität Karlsruhe zu seinem Erstflug. Die Ausstattung mit einem versenkbaren und zum Eigenstart tauglichen Hilfsmotor war eine Innovation, die den Typ des Motorseglers mit Klapptriebwerk prägte. Der Motor half zudem, Thermikflauten zu überbrücken und die Gefahr von Außenlandungen zu verringern. Dem Erstflug vorausgegangen waren gut 15 Jahre, in denen Studierende der Technischen Hochschule Karlsruhe (ab 1967 der Universität Karlsruhe) dieses Flugzeug konzipiert und gebaut hatten. Die erforderliche Expertise kam in der Akaflieg zusammen, weil hier Studierende ihren Lernstoff in der Praxis anwenden konnten. Ähnlich wichtig war die wissenschaftliche Unterstützung aus den Hochschulinstituten und die Überlassung einer Werkstatt sowie von Laboren für die Prüfung der Bauteile. Die AK-1 war bis 2008 im Flugdienst. Die Akaflieg Karlsruhe bildete sich wie andere akademische Fliegervereinigungen in Deutschland während der 1920er Jahre. Ähnlich wie beim Hochschulsport war ein Gründungsmotiv, dass der Versailler Vertrag eine militärische Fliegerausbildung verbot und man diese mit dem Flugbetrieb an den Hochschulen ein Stück weit zu ersetzen suchte. In der NS-Zeit wurde die Akaflieg aufgelöst, der Flugsport unter das Dach einer NS-Massenorganisation verlegt. 1951 gründete man die Akaflieg neu als eigenständige und von äußeren Zwecksetzungen unabhängige Vereinigung. Die AK-1 war der Beginn einer Reihe von Projekten. Das wohl ambitionierteste ist die derzeit laufende Entwicklung eines schwanzlosen Segelflugzeugs, das dem Segelflugzeugbau einen weiteren innovativen Impuls geben soll. kn

Bilder

Fachkommentar

Zur Entwicklung der AK-1

Schon 1955 gab es bei der Akaflieg Karlsruhe erste Arbeiten zur Entwicklung von Motorseglern mit guten Segelflugleistungen, da man neben der Vergrößerung des Aktionsradius in der Eigenstartfähigkeit wesentliche Vorteile sah: weniger Bodenpersonal zur Durchführung eines Flugbetriebs, geringeres Außenlanderisiko, einfache Überführung. Die grundsätzliche Problematik des Motorseglerbaus liegt in der Schwierigkeit, einen Motor in ein Segelflugzeug einzubauen, ohne dass dabei die Leistungen und Flugeigenschaften wesentlich beeinträchtigt werden. Der Grund für eine Verschlechterung durch den Motor ist neben der Zunahme des Gesamtgewichts primär im aerodynamischen Bereich zu suchen. Ein fest eingebautes Antriebsaggregat erzeugt im stillgelegten Zustand einen merklichen Luftwiderstand. Eine bessere Lösung stellte demgegenüber der ausfahrbare Antrieb da, bei dessen Realisierung es allerdings zu enormen Schwierigkeiten auf konstruktivem Gebiet kam. 1965 war es dann endlich soweit: Die vorangegangenen Forschungsaufträge zur Untersuchung der Schleppseile und des Windenstarts sowie der Selbstbau einer Startwinde waren abgeschlossen. Mit dem Hirth F10 stand endlich ein brauchbares Antriebsaggregat zur Verfügung, so dass mit der Auslegung eines Motorseglers unter folgender Zielsetzung begonnen wurde: (1) Eigenstartfähigkeit ohne Hilfspersonal, (2) Segelflugleistungen auf dem Stand der Technik, (3) minimaler Wartungs- und Überholungsaufwand, (4) witterungsbeständige Bauweise und -materialien. Am 9. Januar 1971 erhob sich die AK-1 zum ersten Mal in die Luft. Am 7. Juli 1973 wurde sie von dem Professor für Meteorologie Max Diem auf den Namen Mischl getauft, der ihren Charakter als Mischling aus Motorflugzeug und Segelflugzeug zum Ausdruck bringen sollte. Nach Abschluss der Flugerprobung erhielt sie die Verkehrszulassung durch das Luftfahrtbundesamt und wurde von allen Akaflieg-Piloten mit Motorseglerberechtigung benutzt. In ihren Leistungen erfüllte sie die Auslegungsziele der 1960er Jahre. Heutzutage ist sie damit als Wettbewerbsflugzeug nicht mehr konkurrenzfähig. Die starke Verbreitung von Motorseglern mit Klapptriebwerk seit den 1980er Jahren ist eine schöne Bestätigung für das in den frühen Sechzigern entstandene Konzept der AK-1. Mikail Albayrak

Objektvorschlag

Die AK-1 war für die Akaflieg Karlsruhe der Startschuss für eine ganze Reihe an erfolgreichen Forschungsprojekten. Das innovative Konzept eines ausklappbaren Antriebs war ein wichtiger Impuls für den großen Erfolg der heutigen Klapptriebwerkstechnologie im Segelflugzeugbau. Somit konnte die Akaflieg Karlsruhe vor allem mit der AK-1, aber auch mit anderen Projekten aus dieser Zeit Luftfahrtgeschichte schreiben. Aufgrund Ihrer historischen Bedeutung wird die AK-1 seit 2011 im Deutschen Museum in München ausgestellt Mikail Albayrak, Erster Vorsitzender der Akademischen Fliegergruppe am Karlsruher Institut für Technologie e.V.

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