Versuchsfahrzeug mit Wasserstoffantrieb auf Basis eines VW T2, Baujahr 1986, 17 kW (23 PS). Technoseum/Landesmuseum für Technik und Arbeit in Mannheim. Fotografie: Amadeus Bramsiepe.
Dieser VW-Bus wurde am damaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe im Institut für Neutronenphysik und Reaktortechnik (INR) zu Testzwecken mit einem Wasserstoffantrieb ausgerüstet. Seinen Probebetrieb absolvierte der Wagen im Jahr 1986. Das INR hatte die Fähigkeit zum Umgang mit Wasserstoff im Rahmen seiner kerntechnischen Aktivitäten erworben. So konnte man sich hier auch neuen Technologien zur Nutzung von Wasserstoff als alternativem Energieträger zuwenden. Wasserstoff erschien dafür geeignet wegen seiner hohen Energiedichte, die bei geringer Treibstoffmenge eine vergleichsweise große Reichweite ermöglichen kann. Die mit dem isolierten Wasserstoff vorhandene Energie wurde in einem ersten Schritt über eine alkalische Dünnschicht-Brennstoffzelle in Antriebsenergie umgewandelt. Eine Herstellung solcher Aggregate wurde am INR erprobt. Im Wasserstoffauto versorgt der mit der Brennstoffzelle erzeugte Strom einen als Antriebsaggregat verbauten Elektromotor. Der »Wasserstoffbulli« war für den Straßenverkehr zugelassen. Er fuhr über den heutigen Campus Nord des KIT und auch auf dem Hockenheimring. Das damit erprobte Antriebskonzept findet sich heute umgesetzt in Bussen für den öffentlichen Personennahverkehr. Einen der Serienfertigung vorausgehenden Pilotbetrieb gab es ab 2013 mit dem zwischen dem Campus Nord und dem Campus Süd des KIT pendelnden Shuttlebus. kn
Als der Volkswagen Transporter am Kernforschungszentrum mit Wasserstoffantrieb fuhr, hatte die Autoindustrie diesen Energieträger für Individualfahrzeuge gerade erst in den Blick genommen: Die Daimler-Benz AG stellte erst acht Jahre später ein Versuchsfahrzeug mit Brennstoffzelle vor, genannt Necar1. Prinzipiell kann Wasserstoff auch in konventionellen Verbrennungsmotoren direkt eingesetzt werden, ein Weg, der etwa von BMW versucht wurde. Fahrzeuge mit Brennstoffzellen sind jedoch immer elektrisch betrieben. Der Strom wird durch die exotherme Reaktion von Wasserstoff- mit Sauerstoffmolekülen erzeugt. Der Prozess ist abgasfrei; es entsteht nur Wasser. Der Wirkungsgrad der Brennstoffzellen beträgt unter günstigen Bedingungen nahe 100 Prozent. Brennstoffzellen zur Gewinnung von elektrischer Energie waren zum Zeitpunkt der Karlsruher Versuche bereits einsatzfähig, allerdings nicht für Straßenfahrzeuge. In der Schlüsseltechnologie Raumfahrt gehörten Brennstoffzellen, wie auch Solarpaneele und Kleinstnuklearreaktoren, zum Standard. Beim Einsatz in Straßenfahrzeugen gab es zusätzliche Herausforderungen: Speichern und Tanken des extrem flüchtigen Wasserstoffs etwa, die Anpassung der Stromerzeugung an wechselnde Betriebsanforderungen oder die Entwicklung einer exklusiven Spitzentechnologie zur Alltagstauglichkeit. Ein Problem ist es, die Arbeitstemperatur von etwa 80 Grad Celsius aufrechtzuerhalten, wofür zu Beginn aufgeheizt und während des Betriebs gekühlt werden muss. Auch die Tiefkühlung der schweren Wasserstofftanks war energieintensiv und voluminös. Das beeinträchtigte die praktische Nutzbarkeit des VW Transporters, dessen Elektromotor zudem nur etwa 17 Kilowatt leisten konnte. Eine Reichweite von 500 Kilometern mit einer Wasserstoff-Tankfüllung war möglich. Die Idee für das Karlsruher Projekt entstand während der Ölkrise 1973. Die Motivation für das Kernforschungszentrum, sich auf dem Gebiet der Fahrzeugantriebe zu engagieren, lag aber vor allem darin, die Nutzanwendungen von Kernreaktoren zu erweitern. Bei Hochtemperaturreaktoren fällt sehr viel sehr heiße Abwärme an, die zur Aufspaltung von Wassermolekülen, also zur Gewinnung von Sauerstoff und Wasserstoff, genutzt werden kann. Das ist ein direkterer, prinzipiell verlustärmerer Weg, als zunächst Strom zu erzeugen und dann Wasserstoff durch Hydrolyse herzustellen. Zwischen dem damaligen Landesmuseum für Technik und Arbeit (LTA) in Mannheim und dem damaligen Kernforschungszentrum Karlsruhe gab es schon in der Gründungsphase des Museums, also seit Mitte der 1980er Jahre, vielfältige Kontakte und Kooperationen. Als am Zentrum entschieden wurde, die Versuche zu der neuen Antriebstechnologie auslaufen zu lassen, nahm der damalige Konservator für Mobilitätsgeschichte das Angebot an, das Wasserstoffauto in Obhut zu nehmen. Der Wagen wurde in die Sammlung des LTA übernommen und in verschiedenen Ausstellungskontexten, etwa zu innovativen Antriebstechniken, gezeigt. Kurt Möser