Rechentafel für Flugabwehrfeuer (»Tafel I«), Hersteller: Josef Bürgin, 61,9 × 41,2 × 3,4 cm, Holz, Papier, Zelluloid und Metall. KIT-Archiv 28508/60. Fotografie: Amadeus Bramsiepe.
Die aus Tabellen und einem Schieber als Ablesehilfe bestehende Tafel sollte im Ersten Weltkrieg beim Abwehrfeuer gegen feindliche Flugzeuge helfen. Nach Kriegsbeginn war das Flugzeug schnell zur Waffe entwickelt worden. Die Stadt Karlsruhe gehörte zu den frühen Zielen von Bombenangriffen. Der erste war am 15. Juni 1915, dabei kamen 30 Menschen ums Leben. Ein weiterer Angriff endete 1916 mit 120 Toten, darunter 71 Kindern. Seit 1914 beschäftigte sich der an der Technischen Hochschule Karlsruhe als Vermessungsingenieur wirkende Josef Bürgin (1872–1917) mit Rechenhilfen für das Abwehrfeuer. Nicht allein die Wirkung des Krieges auf die Zivilbevölkerung, sondern auch die Präsenz von Flugabwehrstellungen in Karlsruhe dürften ein Antrieb für ihn gewesen sein, hier seine Fachkenntnisse einzusetzen. Die von Bürgin behandelte Aufgabe ergibt sich aus der schnellen Bewegung von Flugzeugen im dreidimensionalen Raum und ihrer Entfernung. Ein 1.000 Meter entfernter und 150 Stundenkilometer schneller Flugkörper kann in der Zeit, die ein Geschoss für den Weg zu ihm benötigt, rund 50 Meter zurücklegen. Mit Flugabwehrgeschützen wird deshalb auf einen Punkt gezielt, an dem das Geschoss und das Ziel zusammentreffen. Die Differenz zu einer Geschützausrichtung direkt auf das Ziel wird als Vorhalt bezeichnet. Um den Vorhalt zu bestimmen, bedarf es einer Rechnung, die Entfernung, Richtung und Geschwindigkeiten von Ziel und Geschoss in Beziehung zueinander setzt. Die von Bürgin erstellten Rechentafeln sind ein Versuch, die dafür erforderliche Zeit so weit zu verkürzen, dass das Ergebnis praktisch verwendbar wird. Das Fehlen von Gebrauchsspuren an den von Bürgin erstellten Tafeln lässt allerdings vermuten, dass seine Hilfsmittel allenfalls als Modell gedient haben. kn