Kapitel 4

Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit (1914-1933)

Modell einer Rektifikationskolonne, ca. 85 × 33 × 88 cm, Kupfer, Messing u.a. Metalle, KIT, Institut für Thermische Verfahrenstechnik. Fotografie: Amadeus Bramsiepe.

Die Modelldarstellung einer Rektifikationskolonne steht für das Chemieingenieurwesen am KIT. Rektifikation ist die Trennung von flüssigen Stoffgemischen durch Einsatz von Wärme in fest aufeinander folgenden Prozessschritten. Dabei wird die Destillation als Grundvorgang in einem kontinuierlichen Durchlauf mehrfach wiederholt. So können chemische Produktionsprozesse im industriellen Maßstab realisiert werden. Die in Raffinerien betriebene Aufspaltung des Erdöls in seine Bestandteile ist ein Beispiel für die vielfältigen Einsatzgebiete der Rektifikation. An der Technischen Hochschule Karlsruhe waren die ab den späten 1920er Jahren von Emil Kirschbaum (1900–1970) verfolgten Forschungsarbeiten zum Rektifikationsprozess Ausgangspunkt für die Entwicklung des Chemieingenieurwesens als eigene Disziplin. Bereits das seit 1872 bestehende Institut für Chemische Technik war der Anwendung chemischer Prozesse im industriellen Maßstab gewidmet, wobei hier die Erzeugung von Stadtgas und die Erdölchemie lange Zeit die Hauptschwerpunkte bildeten. Kirschbaum wandte sich dem Chemieingenieurwesen von der im Maschinenbau betriebenen Thermodynamik her zu. Das von ihm 1929 an der Technischen Hochschule eingerichtete Institut für Apparatebau betrieb Versuchsanlagen zur Forschung am Rektifikationsprozess. Auf dieser Grundlage bildete sich an der Fakultät für Maschinenbau zunächst ein verfahrenstechnischer Zweig. 1969 wurde die Karlsruher Fakultät für Chemieingenieurwesen gegründet, in die auch mit der Technologie von Gas, Erdöl und Wasser befasste Lehrstühle der Chemie übergingen. kn

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Fachkommentar

Zur Rolle des Chemieingenieurwesens

Erzeugnisse aus verfahrenstechnischen Prozessen umgeben uns in mannigfacher Weise. Dabei kann es sich um vermeintlich einfache Produkte wie Trinkwasser, Zucker, Salz, Benzin oder Grundchemikalien handeln. Aber auch komplexe Produkte wie Bau-, Farb- und Kunststoffe, Lebensmittel, pharmazeutische Wirkstoffe oder Batteriematerialien entstammen verfahrenstechnischen Prozessen. In ihrer Bedeutung nicht zu vernachlässigen ist die verfahrenstechnische Behandlung von Abfallströmen wie Abgas und Abwasser oder das Recycling gebrauchter Materialien im Sinne von Kreislaufwirtschaft. Die Fakultät für Chemieingenieurwesen vertritt am KIT vielfältige Themen der Verfahrenstechnik in Lehre und Forschung. Die Rektifikation als eine sehr energieintensive Grundoperation ist dabei nur eine von vielen angewendeten Grundoperationen. Verfahrenstechnische Prozesse bestehen aus der zielführenden und möglichst optimierten Verknüpfung verschiedener solcher Grundoperationen. In der Lehre werden diese Grundoperationen theoretisch beschrieben, mittels mathematischer Modelle einer quantitativen Berechnung zugänglich gemacht und schließlich auch praktisch vorgeführt. Neben dem Prozessverständnis muss auch das Produkt- und Materialverständnis herausgebildet werden. Den Studierenden wird dabei eine praxisorientierte ingenieurwissenschaftliche Ausbildung an der Schnittstelle zu den Naturwissenschaften Physik, Chemie und Biologie geboten. In der Forschung werden die zum Einsatz kommenden Grundoperationen, Apparate und Verfahren mit modernen experimentellen, numerischen und analytischen Methoden weiterentwickelt und für neuartige Anwendungen ertüchtigt. Aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen, zu deren Bewältigung die Verfahrenstechnik bedeutsame Beiträge zu liefern hat, sind beispielsweise die energetische und stoffliche Transformation der Volkswirtschaft hin zu mehr Effizienz, Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Forschung hierzu zielt beispielsweise auf vielfältige bisher ungelöste Aspekte einer zukünftigen, konkurrenzfähigen Wasserstoffwirtschaft auf der Basis von erneuerbaren Energiequellen. Matthias Kind

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