Kapitel 7

Das Kernforschungszentrum und das Forschungszentrum Karlsruhe (1956–2009)

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Trenndüse zur Urananreicherung

Im Jahr 1955 fand der Physikochemiker Erwin Willy Becker (1920–2011) einen neuen Weg, das 235 Neutronen enthaltende Uran-Isotop (235U) von dem wesentlich häufigeren Isotop mit 238 Neutronen (238U) zu trennen. Aufgrund seiner Spaltbarkeit ist 235U für die Energiegewinnung interessant, kann aber auch für Kernwaffen verwendet werden. Die von ihm aufgeworfene Perspektive auf eine neue Anreicherungstechnologie brachte Becker an das Kernforschungszentrum Karlsruhe, wo er bis 1988 das Institut für Kernverfahrenstechnik leitete. Bei dem unter Becker entwickelten Verfahren wird das in einer Verbindung mit Fluor gasförmige Uran in einer millimetergroßen Düse um eine enge Kurve geleitet. Im Durchlauf reichern sich die schwereren 238U-Atome in der Außenseite, die leichteren 235U-Atome in der Innenseite an. Mit einem in den Gasfluss eingebauten Schäler werden die um 235U angereicherten Teile des Stroms abgetrennt. Der hierfür eingesetzte Apparat heißt Trenndüse. Das Trenndüsenverfahren wurde am Kernforschungszentrum Karlsruhe bis zur industriellen Einsatzreife entwickelt. Die Entwicklungsarbeit, für die das Zentrum über Jahrzehnte mit der Industrie kooperierte, zielte auch gerade darauf ab, dass Wirtschaftsunternehmen die Ergebnisse verwerten konnten. Eine am Kernforschungszentrum hergestellte Trenndüsenanlage wurde von Brasilien erworben, aber nach ihrem Aufbau nicht zur laufenden Produktion eingesetzt. Ein fortwirkender Nutzen der Arbeiten am Institut für Kernverfahrenstechnik war die Entwicklung eines Verfahrens zur Herstellung sehr kleiner und präzise gefertigter Strukturen, die man zum Bau von Trenndüsen benötigte. Das Arbeitsgebiet des ganzen Instituts verschob sich vollständig zur Mikrostrukturtechnik, nach der es seit 1989 benannt ist. kn

Bilder

Objektvorschlag

Die Trenndüse stellt für mich ein Symbol des Übergangs vom Kernforschungszentrum zum KIT dar. Der Arbeiten zur Isotopentrennung, die letztendlich wie die gesamte Kernenergietechnik in eine Sackgasse geführt haben, legten den Grundstein für die Mikrostrukturtechnik: Die se bildet bis heute die Basis zahlreicher zukunftsweisen der Entwicklungen in den Bereichen Informationstechno logie, Gesundheitswesen und alternative Energien. darüber hinaus wure sie zum Wegbereiter für die noch viel kleineren Strukturen der Nanotechnologie. Mathias Heckele, KIT, Institut für Mikrostrukturtechnik

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