Kapitel 5

Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg (1933-1945)

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Rassistische Schrift über Heinrich Hertz

Gaedcke, Werner; Grundig, Friedmar; Hodapp, Walter; Hublow, Walter; Schramm, Willi; Winkels, Alfred; Ziegler, Emil: Heinrich Hertz in seinem Wirken und Schaffen unter besonderer Berücksichtigung seiner rassischen Gebundenheit, 1938, Typoskript im Wachsmatrizendruck. KIT-Archiv 27104/11.

Die Fachschaft Physik der Technischen Hochschule Karlsruhe beteiligte sich an dem von den Nationalsozialisten 1937 ausgeschriebenen Reichsberufswettkampf. Mit einiger Hilfe aus dem Lehrkörper entstand die Abhandlung Heinrich Hertz in seinem Wirken und Schaffen unter besonderer Berücksichtigung seiner rassischen Gebundenheit. Schon der Titel zeigt, dass die Physiker den Bereich ihrer Fachkenntnisse verließen, indem sie Hertz’ bahnbrechende Karlsruher Arbeiten aus seiner Abstammung heraus zu deuten suchten. Die Autoren wollen unterscheiden zwischen aus Sicht der rassistisch motivierten »Deutschen Physik« abzulehnenden Inhalten der Hertz’schen Forschungsergebnisse und einem daneben als wissenschaftliche Großtat reklamierbaren Anteil. Der von Hertz experimentell erbrachte Beweis für die Wesensähnlichkeit der elektromagnetischen Wellen mit den Lichtwellen wird einem als »arisch« bezeichneten Erbanteil zugeschrieben, Hertz’ theoretische »Auffassung der Mechanik« hingegen als Erbteil jüdischer Vorfahren identifiziert und als eine »artfremde« abgelehnt. Der Begriff der Rasse, zumal in Anwendung auf den Menschen, ist als wissenschaftliche Kategorie überholt. Bestimmte Vorfahren eines Wissenschaftlers für bestimmte Teile seiner Arbeitsergebnisse verantwortlich zu machen, ist eine Spekulation ohne Grundlage. Der Ansatz, Wissenschaft in einem durch rassistische Selbstdefinition von der übrigen Menschheit abgegrenzten Verständnishorizont zu betreiben, erweist die Absurdität der als Schaulauf vor dem nationalsozialistischen Regime angelegten Aktion. Die Wettbewerbsschrift regt zum Nachdenken an als ein Beispiel dafür, wie kurz und niedrigschwellig der Weg von wissenschaftlicher Arbeit zur ideologischen Halluzination sein kann. kn

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