Von Heinrich Hertz zur Erforschung der elektromagnetischen Wellen verwendete Geräte: ganz links ein garnrollenförmiger Rühmkorffscher Funkeninduktor als Spannungsquelle, in der Mitte die aus einander nahe gegenüberstehenden Kugeln gebildete Strecke für den Übersprung von Funken durch die Luft, rechts die Vorrichtung zum drahtlosen Empfang der durch den Funkensprung entstehenden Signale. Fotografie ab 1886 von unbekanntem Urheber. KIT-Archiv 28010 I 3152 (Reproduktion einer Vorlage im Deutschen Museum München).
Ohne Smartphones, tragbare Computer und die unüberschaubare Vielfalt drahtlos kommunizierender Geräte ist unser Leben kaum noch denkbar. Schon die Geschichte des 20. Jahrhunderts ist geprägt von drahtloser Telegrafie, Rundfunk und Fernsehen. Die Grundlage dafür legte Heinrich Hertz (1857–1894) mit seinen Karlsruher Forschungen zur Natur der elektromagnetischen Wellen. Der junge Privatdozent war 1885 auf seine erste Professur an die Technische Hochschule Karlsruhe gewechselt. Hier hatte er Gelegenheit zum Experimentieren. Die Studierendenzahlen lagen während Hertz’ Anwesenheit in Karlsruhe außerordentlich niedrig, eine Folge der 1873 begonnenen und bis in die 1890er Jahre dauernden Wirtschaftskrise. Nicht in einem speziellen Labor, sondern in dem heute nach ihm benannten Hörsaal im Hauptgebäude an der Kaiserstraße erzeugte Hertz im November 1886 Funkenschläge und konnte den so in die Luft gegebenen elektromagnetischen Impuls einige Meter entfernt registrieren. Damit hatte er eine drahtlose Übertragung zwischen Sender und Empfänger realisiert. Der auf die Grundlagenforschung konzentrierte Hertz zeigte selbst kein Interesse an einer praktischen Verwertung seiner Ergebnisse. Anwendungen der Funktechnik zur Nachrichtenübermittlung entwickelten ab Mitte der 1890er Jahre Hertz’ Karlsruher Lehrstuhlvorgänger Ferdinand Braun und Guglielmo Marconi. Beide erhielten dafür 1909 den Nobelpreis. Hertz war 1894 im Alter von 36 Jahren an einer Blutvergiftung gestorben. 1930 wurde die physikalische Einheit für die Schwingungsfrequenz nach ihm benannt. Fast jedes im Alltag gebrauchte Elektrogerät trägt infolgedessen mit der Angabe der zum Betrieb nötigen Wechselstromfrequenz »50 Hz« den Namen von Hertz. kn
Dass Elektrizität und Magnetismus irgendwie zusammenhängen, war schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts aus Beobachtungen bekannt. Nur über das Wie stritten die Gelehrten. Einer der wesentlichen Streitpunkte war die Frage, ob die Wirkung trotz Abstand unmittelbar und in einem ähnlich festen Zusammenhang eintritt wie beim Wirken eines Hebels, oder ob es eine sich ausbreitende Welle mit endlicher Ausbreitungsgeschwindigkeit gibt. Der Schotte James Clerk Maxwell stellte 1864 seine Grundgleichungen des Elektromagnetismus auf, konnte deren Gültigkeit allerdings selbst nicht beweisen. Heinrich Hertz beschäftigte sich schon in seiner Assistenzzeit bei Hermann von Helmholtz an der Universität Berlin mit Elektromagnetismus und sah nach zwei Jahren in Kiel die Chance, sich mit 28 Jahren seines Wunschthemas anzunehmen. Dazu wechselte er im Jahr 1885 als Nachfolger von Ferdinand Braun an die Technische Hochschule Karlsruhe. Nur dort bekam er Zugang zu den benötigten Instrumenten — größtenteils aus dem Labor von Braun — und man stellte ihm ein ausreichend großes Labor — den heute nach ihm benannten Hörsaal — zur Verfügung. Mit seinen neu bzw. weiterentwickelten Geräten (Funkeninduktor, Hertz’scher Dipol usw.) gelang ihm in nur drei Jahren der Nachweis, dass elektromagnetische Wellen existieren, und er konnte viele damit zusammenhängende Detailfragen klären, was die große Zahl seiner vielbeachteten Publikationen aus dieser Zeit belegt. Es ist unbestritten, dass Heinrich Hertz ein Genie seiner Zeit war, aber vielleicht sollten wir uns auch überlegen, welche Chancen und Möglichkeiten solch eine Person in unserem heutigen Wissenschaftssystem noch hätte? Heinrich Hertz studierte und promovierte in Physik in insgesamt weniger als drei Jahren und wurde fünf Jahre später zum Professor an die Technische Hochschule Karlsruhe berufen. Dort verbrachte er die wirkungsvollsten vier Jahre seines wissenschaftlichen Wirkens, und zwar indem er selbst als Professor im Labor forschte. Man fragt sich, ob dies alles im Zeitalter von akkreditierten Studiengängen, sinkenden Ausstattungen und der ausufernden Bürokratisierung noch möglich wäre. Eine der frühesten Ehrungen von Hertz fand bereits bei der ersten, noch experimentellen Funkmitteilung der Geschichte statt. Alexander Popov übertrug im Mai 1895 über etwa 500 Meter zwischen zwei Gebäuden der Sankt Petersburger Universität die Worte »Heinrich Hertz«. Wäre Hertz nicht schon 1894 verstorben, hätte er sicher den Nobelpreis erhalten, aber dieser wird erst seit 1901 vergeben. Wenn es allerdings eine noch größere Ehre für einen Naturwissenschaftler gibt, dann ist dies die Benennung einer physikalischen Einheit. Insofern ist Heinrich Hertz sicher der berühmteste Ehemalige der Technischen Hochschule Karlsruhe bzw. des KIT. Thomas Zwick