Kapitel 9

Das KIT (2009-2025)

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Präzisionswaage für die leichtesten Elementarteilchen

Die Vakuumkammer für das Hauptspektrometer des KArlsruhe TRItium Neutrino Experiments wird nach der Anlieferung auf dem Rhein durch Eggenstein-Leopoldshafen bugsiert, 25.11.2006, Fotografie: Markus Breig. KIT-Archiv 28010/I 7185.

Welche Masse haben Neutrinos? Wenn es nach dem Standardmodell der Elementarteilchen geht: gar keine. Im etablierten Gesamtbild der theoretischen Teilchenphysik kommen Neutrinos als masselose, elektrisch neutrale Bestandteile vor. Aus experimenteller Forschung wissen wir jedoch, dass Neutrinos massebehaftete Teilchen sind. Allerdings ist diese Masse millionenfach kleiner als die der nächstleichten bekannten Teilchen. Dies und der Umstand, dass Neutrinos als »Geisterteilchen« die Materie fast ungehindert durchdringen können, macht die Messung ihrer Masse so schwierig. Dabei ist der Wert von weitreichender Relevanz: Bereits seit der Frühphase des Kosmos kurz nach dem Urknall füllten Neutrinos das Universum in großer Zahl an. Mit heute noch über 330 Teilchen pro Kubikzentimeter sind sie milliardenfach häufiger im Kosmos vorhanden als Atome und haben mit ihrer kleinen, aber eben nicht verschwindenden Masse dessen Entwicklung mitgeprägt. Mit dem Karlsruher Tritium Neutrino Experiment (KATRIN) betreiben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einer internationalen Kollaboration am KIT eine Großforschungsanlage, um der seit 1930 bestehenden Frage der Neutrinomasse auf den Grund zu gehen. KATRIN führt dazu Präzisionsspektroskopie von Elektronen aus dem Betazerfall von Tritium durch. Die ca. 70 Meter lange, technisch hochanspruchsvolle Anlage wurde über einen Zeitraum von über 15 Jahren am Campus Nord des KIT aufgebaut und ging 2018 in den Messbetrieb. Entscheidend für die Realisierbarkeit des Experiments war das Tritiumlabor Karlsruhe. Es bot das notwendige Know-how und die Laborinfrastruktur, um KATRIN zu betreiben. Mit 23 Metern Länge und zehn Metern Durchmesser ist der Ultrahochvakuumtank des Spektrometers so groß wie ein Mehrfamilienhaus und eines der markantesten Elemente der Forschungsanlage. Der 200 Tonnen schwere Edelstahlbehälter wurde in Deggendorf bei Passau gefertigt und ging von dort auf eine ungewöhnliche Reise nach Karlsruhe. Aufgrund der Größe war nur ein Transport auf der Donau, dann dem Seeweg rund um Europa und schließlich auf dem Rhein möglich. Der spektakuläre Transport durch Eggenstein-Leopoldshafen im Herbst 2006 auf den letzten Kilometern zum damaligen Forschungszentrum Karlsruhe dürfte vielen der damals rund 30.000 Zuschauerinnen und Zuschauer noch in Erinnerung sein. Kathrin Valerius

Bilder

Objektvorschlag

KATRIN ist eine weltweit einmalige Forschungsanlage, für die das KIT die idealen Erfolgsvoraussetzungen bietet. Das Experiment aus der Grundlagenphysik zeigt, dass wir oft komplexe Apparaturen brauchen, um den kleinsten Teilchen auf die Spur zu kommen. Kathrin Valerius, Ko-Sprecherin der KATRIN-Kollaboration

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