E-Mail, 02.08.1984 (Eingang 03.08.1983), Ausdruck auf Papier, Provenienz: Universität Karlsruhe. Stadtarchiv Karlsruhe 8 Sts 4 265.
Mit dem hier angezeigten Text begann 1984 an der Informatik-Rechner-Abteilung (IRA) der Karlsruher Fakultät für Informatik der E-Mailverkehr auf Basis des später auch im Internet verwendeten technischen Regelwerks. Damals gab es schon altgediente Informatiker, und als solche konnten sie diesen Schritt durchaus nicht als Ereignis von historischer Tragweite verstehen. Seit über zehn Jahren hatten sie schon die Möglichkeit, persönliche Nachrichten in einem für die Übermittlung von Datenpaketen eingerichteten Rechnernetz zu versenden. In allen Lebensbereichen setzte sich die E-Mail seit 1991 durch, als das auf Hypertext beruhende World Wide Web eingeführt wurde und sich nachfolgend Browser mit grafischer Benutzeroberfläche etablierten. Erst mit diesen weiteren Schritten wurde die E-Mail zu einem universell gebrauchten Kommunikationsmittel. Die am 3. August 1984 bei Michael Rotert in der IRA von den Betreibern des US-amerikanischen Netzwerkdienstes Computer Science Network (CSNet) eingegangene E-Mail war aber schon deswegen ein Meilenstein, weil damit die rechnerbasierte Kommunikation von Forschungseinrichtungen im transatlantischen Raum erleichtert wurde. Werner Zorn, Professor für Informatik an der Universität Karlsruhe und Leiter der IRA, hatte sich seit 1982 für eine Verbindung zwischen dem entstehenden Deutschen Forschungsnetzwerk und CSNet eingesetzt. Ein weiterer wesentlicher Schritt der IRA war die erste Anbindung eines chinesischen Rechners an ein internationales Netz im Jahr 1987, wovon die Entwicklung des Internets in diesem Land ihren Ausgang nahm. Für die Stadt Karlsruhe bewirkte das von den Internetpionieren an der Universität vermittelte Know-how einen Entwicklungsschub. Die Ansiedlung zahlreicher Internetfirmen und Netzdienste führte 2003 zu der Verleihung des Titels »Internet-Hauptstadt« durch ein Wirtschaftsmagazin. Als einer der ersten deutschen Internetprovider wurde hier 1989 die Firma XLINK tätig, die sich aus einem universitären Forschungsprojekt heraus entwickelt hatte. kn
Der erste deutsche E-Mailserver am heutigen Internet war das Ergebnis des Projekts Anschluss des Deutschen Forschungsnetzes (DFN) an internationale Netze, dessen Projektleiter Professor Werner Zorn war. Ich wurde 1983 für den Betrieb neuer Rechner von Herrn Zorn eingestellt. Unter anderem wurden diese Computer mit dem Betriebssystem UNIX ausgestattet. UNIX wurde im Quellcode ausgeliefert und konnte auf die Bedürfnisse der Informatikfakultät eingestellt werden. Zudem enthielt UNIX bereits die Internetprotokolle wie SMTP, FTP, TCP/IP usw., die am 1. Januar 1983 als Standard im ARPAnet (heute Internet) eingeführt worden waren. Dieses System war die Grundlage für das DFN-Projekt. Das ARPAnet, welches aus einem militärischen Forschungsprojekt entstanden war, umfasste auch das gesamte MILnet, das Netz des amerikanischen Verteidigungsministeriums. Aus Sicherheitsgründen wurde dieses zwar 1983 vom ARPAnet getrennt, dennoch scheuten sich die USA, außeramerikanische Einrichtungen direkt an das ARPAnet anzubinden. Im Wesentlichen standen dabei Bedenken im Vordergrund, es könnte aus dem Gebiet jenseits des Eisernen Vorhangs heraus spioniert werden. Um aber eine weltweite Kommunikation der Forschung und Wissenschaft zu ermöglichen, gab es das Projekt CSNet (Computer Science Network), das vor allem einen erweiterten E-Mailservice bot, aber auch direkt mit dem ARPAnet verbunden war. Ein Ziel von CSNet war es, Forschungseinrichtungen in Ländern außerhalb der USA anzubinden, und zwar mit einem Anschlusspunkt pro Land. Das Projekt sollte sich nach Ablauf selbst tragen. Über CSNet war es zum Beispiel möglich, E-Mail-gesteuerten Filetransfer von Dokumenten auch aus dem ARPAnet zu initiieren. Über den vorhandenen E-Mailaccount von Professor Gerhard Goos, der seit 1970 an der Fakultät für Informatik an der Universität Karlsruhe wirkte, konnte ich im März 1984 Kontakt mit den CSNet-Betreibern aufnehmen. Anfang Juli 1984 erhielt ich die für eine Verbindung und den E-Mailserverbetrieb in das CSNet notwendige Software für das UNIX-Betriebssystem. Am 3. August erreichte mich über diese Verbindung die »erste E-Mail«. Diese bestätigte meine Erklärung, dass der E-Mailserver für die deutsche Forschungscommunity betriebsbereit sei. Damit war die Universität Karlsruhe die erste außeramerikanische Forschungseinrichtung am CSNet. Genutzt wurde das System sofort und intensiv. Die größten Herausforderungen zu Beginn waren die damals noch nicht strukturierte E-Mailadressierung, die Übergänge zu den verschiedenen, meist proprietären E-Mailsystemen sowie die Abrechnung der Nutzung, für die auch noch Software entwickelt werden musste. Auf Bitten von CSNet implementierte ich im April 1985 in Frankreich an der Agence de l’informatique ebenfalls die CSNet-Software. Auch China wurde später an den Karlsruher Server angebunden, damals mit Zustimmung der National Science Foundation. Karlsruhe war seinerzeit administrativ und technisch für den Betrieb des Name-Servers für die chinesische Domain .cn zuständig. Aufgrund innerer Unruhen in China gab es 1989 jedoch Probleme. Über den Namen des E-Mailabsenders konnte man problemlos die Familie in China lokalisieren und diese in Sippenhaft nehmen, so dass der E-Mailbetreiber in China bat, die Verbindung einzustellen. Mit CSNet war es nur noch ein kleiner Schritt, um auch den vollständigen Anschluss an das ARPAnet zu vollziehen, was mein Ziel von Anfang an war. Dies gelang im Frühjahr 1985. Da der Servername nach CSNet-Konvention den Landesnamen trug (germany.csnet), war dann auch der Name am ARPAnet germany.arpa. Die Namen der Netze waren ein erster Strukturierungsansatz der Adressen. Ab diesem Zeitpunkt war die Informatik der Universität Karlsruhe vollständig in die damalige Netzwelt integriert. Die weiteren Aufgaben bestanden nun darin, anderen wissenschaftlichen Einrichtungen den Zugriff auf den Karlsruher Server zu ermöglichen sowie Übergänge zu existierenden, geschlossenen E-Mailsystemen zu programmieren. Dies alles geschah zu einer Zeit, in der es noch keine Struktur wie domainbasierende Adressen (zum Beispiel .de oder .com) gab. Die Namen und Adressen der angeschlossenen Rechner mussten also weitestgehend lokal vorgehalten werden. Dies bedeutete im Umkehrschluss, dass die Daten für alle Empfänger, die nicht in Karlsruhe angeschlossen waren, über die USA geschickt wurden. Die Kosten für die Verbindung aus den und in die USA, also in beide Richtungen, musste seinerzeit die Universität Karlsruhe tragen und dann auf die deutschen Teilnehmer umlegen. Die Kosten für den Datentransport innerhalb der USA übernahm das amerikanische Forschungsnetz (NSFnet). Erst 1989 wurde das ARPAnet für eine kommerzielle Nutzung freigegeben, da zu diesem Zeitpunkt die Förderung der inneramerikanischen Internetleitungen endete und gleichzeitig mit dem Fall der Mauer der Eiserne Vorhang nicht mehr existierte. Danach gab es nur noch das Internet. Mitte der 1990er Jahre kam das World Wide Web, und damit begann der eigentliche Siegeszug des Internets, das für Deutschland in der Informatik-Rechner-Abteilung der Universität Karlsruhe 1984 seinen Ursprung hatte. Michael Rotert
Die Tatsache, dass die erste E-Mail Deutschlands am heutigen KIT empfangen wurde, steht aus meiner Sicht sowohl für Forscherdrang und Offenheit für Neues als auch für wissenschaftlichen Austausch und internationale Vernetzung — und damit für Dinge, die ich auch persönlich mit dem KIT und seinen Mitarbeitenden verbinde. Dr. Ferdinand Leikam, Leiter der Historischen Museen der Stadt Karlsruhe